Der lange Weg zum Brokkoli

Es war weder Liebe auf den ersten Blick, noch auf den zweiten, meine Beziehung zum Brokkoli gleicht eher einer Zwangsvermählung, bei der die anfängliche Abneigung dann doch einer gewissen Wertschätzung gewichen ist und nun einen hinreißenden, vielleicht vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Und der ganze Aufwand nur, weil Italien in Norddeutschland einziehen sollte …

Mein Garten beherbergt bereits beste venezianische Tomaten, Artischocken, Puntarelle, Rucola, Radicchio di Treviso – nur eben keine Cime di Rapa. Obwohl ich darüber eigentlich gar nicht traurig sein müsste, denn es handelt sich hier lediglich um eine schlanke, italienische Schwester des Brokkoli, den wir sowieso eher als notwendiges Übel betrachten (Biokisten-Bezieher wissen, wovon ich spreche). Brokkoli nimmt man in Kauf, weil er so wahnsinnig gesund und reich an allem ist. So wird er in homöopathischen Mengen auf diverse Gerichte verteilt: Minestrone, Thai-Curry, Wok-Gemüse, Nudelgerichte.

Die Samen für die Cime di Rapa lagen also irgendwann einer Lieferung italienischen Saatguts als Geschenk bei. Natürlich habe ich sie ausgesät, was sollte ich sonst damit tun? Zwei Jahre lang habe ich vergeblich versucht, etwas aus ihnen herauszuholen. Mehr als ein paar mickrige, dünne Stängel wurden nicht daraus. Vielleicht hat sich mein innerer Widerstand auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt. Vielleicht war ich auch zu halbherzig bei der Sache und insgeheim froh über ihr frühzeitiges Ableben.

Dann haben sich meine gärtnerischen Ambitionen entweder komplett verselbständigt, oder ich war in einem Zustand geistiger Umnachtung, als ich im Frühjahr sechs gekaufte, vorgezogene Brokkoli-Pflänzchen ins Hochbeet gesetzt habe, die mittlerweile zu wahren Giganten herangewachsen sind.

So ähnlich fühlt man sich, wenn man weiß, dass sich irgendwann unvermeidbarer Besuch einstellen wird, aber solange die Augen davor verschließt, bis er vor der Tür steht. Und nun blickten mich wunderschöne, geradezu elegante Brokkoliköpfe an. Insgesamt an die vier Kilo. Ich musste mich der Realität stellen.

Es gibt genau ein Brokkoli-Gericht, bei dem ich mir sicher bin, dass es alle mögen: Jörgs Brokkoli Flan, gerne auch als Vorspeise für Gäste zubereitet. Nur müsste ich jetzt ungefähr 65 Gäste bekochen oder zwei Wochen lang Flan essen, um die Ernte zu verbrauchen. Das ist auch nicht unbedingt das, wovon man träumt.

Mein erster Gedanke: erstmal ab ins Tiefkühlfach und die Entscheidung vertagen. Doch erstens würde der Platz gar nicht ausreichen und zweitens schmeckt der Brokkoli dann so fürchterlich (ich habe extra den Test gemacht), dass sogar die Hunde die Nase angewidert rümpfen. Und wegwerfen kommt schon aus Prinzip nicht infrage.

Also habe ich angefangen, ihn anders zu behandeln, nicht mehr zu dünsten, sondern zu rösten und zu grillen. Und plötzlich eröffnen sich neue Brokkoli-Erlebniswelten. Wer hätte das gedacht! Am besten gefällt mir außerdem die Kombination mit Nüssen, weil sie dem Geschmack mehr Tiefe geben und mit Chili, weil es ihm einfach mehr Schwung verleiht.

Hinter mir liegen nun zwei Wochen mit Brokkoli. Ich beginne ihn zu schätzen. Das neue Highlight: Brokkoli-Bällchen mit gerösteten Mandeln. Auf dieses Rezept bin ich wirklich stolz. Selbst beim zweiten Mal waren sie schnellstens verputzt.

Hoffentlich gedeiht Brassica rapa nächstes Jahr wieder so gut! Ab jetzt ist er willkommen.

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