Frei Schnauze oder Dose?

Rezepte können ja so einengend sein wie Zwangsjacken. Zumindest habe ich das vor ein paar Tagen so erlebt, als ich für eine Buchrezension Körnerbrot und Zwiebelbrot nachgebacken habe. Um ein Urteil fällen zu können, muss man sich dann natürlich auch an die Angaben halten. Das fällt mir grundsätzlich schwer, aber hier ganz besonders, weil mir nunmal egal ist, ob in meinem Brot 15 g oder 12 g Salz enthalten sind. Wichtiger wäre mir die Qualität desselben. Oder 585 g Mehl und 405 g Wasser. Was passiert, wenn ich 20 g mehr oder weniger nehme? Gar nichts. Erstaunlich, dass nicht noch die Temperatur vorgegeben wird.

Ich war genervt und kurz davor, das Buch für immer zuzuklappen.

Jeder kocht irgendwie anders: der eine streng nach Rezept, der andere frei Schnauze oder aus dem Gedächtnis, der dritte irgendwas dazwischen oder öffnet eine Dose. Meistens hängt das auch davon ab, für wen wir kochen und wie aufwändig das Gericht werden soll. Für Gäste meistens raffinierter, für die liebe Familie alltagstauglicher und zeitsparender.

Dabei sollte Kochen doch vor allem eins sein: ein kreativer Prozess mit befriedigendem Ergebnis. Zu viele Vorgaben verderben die Lust, wirken abschreckend, machen einem unerfahrenen Koch oder Bäcker vielleicht eher noch Angst, denn was passiert, wenn ich mich nicht an die 0,2 g Hefe halte? Oder Zutaten ersetzen will? Misslingt dann alles?

Es gibt Rezept, bei denen dient als Masseinheit die Tasse, oder die Gewürzmengen werden gar nicht erst in einem Maß angegeben. Solche sollte es öfter geben, sie wirken irgendwie befreiend, man kann nichts falsch machen und muss sich auf das eigene Urteil und den eigenen Geschmack verlassen.

Übrigens habe ich nach den ersten zwei Broten die Zwangsjacke ganz schnell abgelegt und meine eigenen Rezepte entwickelt. So sollte es immer sein. Denn das macht wieder Spaß.

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