Küchen-Konfusion

Kulinarische Traditionen hin oder her, der beste Beweis für eine interkulturelle, europäische Fusion sind doch die Würstchen auf der Pizza. Die gehören da nämlich gar nicht hin, sondern schön in Senf getunkt. Aber irgendwer hat die ja zu irgendeinem Zeitpunkt in die Welt gesetzt. Ob ursprünglich ein bayerischer Tourist in Neapel nicht auf seine Würschtl verzichten wollte, oder ein Pizzabäcker dachte, er kommt dem deutschen Geschmack entgegen – das weiß man nicht. Jedenfalls gehört die „Pizza con Wurstl“ in Italien mittlerweile zum festen Repertoire einer Pizzeria. Ebenso die „Pizza Bismarck“ mit Spiegelei und Speck, die sogar von Einheimischen goutiert wird (ich hab’s vor einiger Zeit mit großem Erstaunen am Nebentisch zur Kenntnis genommen). Typische Fälle deutsch-italienischer Küchen-Fusion.

Mein Sohn würde das zum Beispiel nicht machen. Er bestellt immer nur „Pizza Margherita“. Seit Jahren, ganz stereotyp. Ist ja auch nicht die schlechteste Wahl, aber von Experimentierfreude keine Spur. Im Gegensatz zu mir. Ich esse am liebsten jedes Mal etwas anderes.

Kein Zweifel besteht wohl darin, dass Italiener ein etwas lebhafteres Volk als wir Deutschen sind. Italiener frequentieren auch andere Speiselokale als der ausländische Tourist, der am liebsten immer direkt am Strand oder mit Blick auf den barocken Dom oder eine andere schöne Kulisse dinieren möchte. Nein, Italienern macht es nichts aus, an einer gut befahrenen Straße und unter Neonlicht zu sitzen.

In einem solchen Etablissement waren auch wir. Es ist immer brechend voll, total eng wegen der vielen Tische, und ab acht drängt sich eine kilometerlange Schlange vor dem Pizzaofen, die nicht kürzer wird, auch wenn ein Stapel XXL-Kartons nach dem anderen das Lokal verlässt. Weil es dazu noch Fantapizza heißt, fiel es bei uns Frauen immer durchs Raster – nicht so bei den männlichen Familienmitgliedern.

Wir hatten also einen Tisch reserviert. Als typisch Deutsche schon pünktlich um halb acht. Wäre es nach meinem Mann gegangen auch bereits um sechs, aber da stehen noch die Stühle auf den Tischen, die Putzfrau wischt nochmal durch und der Ofen wird erst angeheizt.

Das Lokal füllte sich rasch und damit stieg auch der Lärmpegel, während wir noch die Karte konsultierten. Aus der schieren Notwendigkeit passt man sich an und beginnt ebenfalls zu schreien. Ich dringe über den Tisch kaum zum Ohr der Bedienung durch, ich wollte nämlich die weiße Pizza mit Kartoffelscheiben und Rucola („pizza bianca con patate lesse e rucola“) bestellen. Habe ich auch. Aber was kam? Keine „patate“, sondern „patatine“, eine Pizza mit Pommes, dafür aber noch Rucola obendrauf. Meine Kinder haben mich angesehen, als sei ich irre geworden. Pommes auf Pizza wäre das letzte, was ich mir bestellt hätte. Das hat man nun davon! Ein typischer Fall deutsch-italienischer Küchen-Konfusion. Weil die Pommes superfrisch waren, war sie trotzdem gut. Ich geb’s ja zu. Vielleicht hat sie ja Zukunft.

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