Mein Haus, meine Frau, mein Grill

Grillen ist super, da sind sich meine Kinder einig. Und das, obwohl bei uns (ausser mein Mann holt sich Verstärkung bei Freunden) kein Fleischgeruch aufsteigt, der die archaische Lust auf das getötete Tier verkörpert, sondern der von vegetarischen Würstchen, Spargel, gemischten Gemüsespießen, Austernpilzen, Kartoffelpäckchen mit Schafskäse und natürlich Pizzen nicht zu vergessen. Grillen ist super, obwohl das Essen nicht unbedingt besser als aus dem Kochtopf oder der Schmorpfanne schmeckt und obwohl meine pubertierenden Faultiere mindestens 50 Meter zurücklegen müssen, um den Grillplatz im Garten zu erreichen, den Tisch decken und für den Weinkühler sorgen müssen.

Da ist der ein oder andere Gang notwendig, wird aber klaglos hingenommen, während mein Mann das Feuer wieder viel zu spät entfacht, mit der Folge, dass die optimale Grilltemperatur dann erreicht sein wird, wenn das Essen schon lange wieder vorbei ist. Mittlerweile haben wir sogar unser Equipment auf Anraten familienangehöriger Grillprofis aufgerüstet und uns einen Anzündkamin zugelegt, wodurch das doch recht amateurhafte und umständliche Hantieren mit dem Fön überflüssig geworden ist.

Grillen ist eine Kunst, sagt man. Ob zurecht oder nicht, kann man dahingestellt sein lassen, Fakt ist jedoch, dass es einer gewissen Sorgfalt und Aufmerksamkeit bedarf. Jährlich verbrennen sich Tausende, weil sie Spiritus oder Benzin über die Kohlen kippen oder weil sie keine Grillhandschuhe griffbereit haben, aber das Steak irgendwie aus der Glut retten müssen. Bei uns passiert das selbstverständlich nicht. Aber vor zwei Tagen hat der Grillmeister sogar meine heilige Wildblumenwiese in Brand gesetzt, weil er den Kamin nicht auf den Grill, sondern ins Gras gestellt hat. Sie hat glücklicherweise keinen größeren Schaden genommen, doch die Vision eines Flächenbrandes erhob sich kurz vor meinem inneren Auge. Dafür schmorte ein paar Minuten später mein Grillhandschuh lustig auf der heißen Grillplatte vor sich hin und verpestete die Luft. Wir sind eben dieses Jahr noch nicht so recht in Übung, zumal wir in der letzten Saison (in Norddeutschland fiel ja da der Sommer komplett aus) den Grill nur einmal bemühten – und dann prompt unterm Sonnenschirm im Gewitterregen saßen.

Grillen ist eine kommunikative Form des Speisens, deshalb macht es auch trotz widriger Umstände und aller Unzulänglichkeiten Freude. Man sitzt draussen, lauscht dem Gequake der Frösche oder dem Gemurmel der Nachbarn, genießt den reichgedeckten Tisch, lässt sich Zeit beim Essen (zumindest solange es einem die Kriebelmücken nicht verleiden) und frönt so dem neuen Trend des Outdoorliving.

Grillen ist schon lange nicht mehr nur ein Hobby, sondern eine Lebensart. Dazu muss man sagen, vorwiegend noch immer eine männliche, angeheizt durch Grill-Shows im Fernsehen, jährlich neu erscheinender Grillratgeber, durch Grillvereine, Landesgrillmeisterschaften, ja sogar Europameisterschaften. Ungehemmter Fleischkonsum, nichts anderes ist Barbecue, ist einfach schwer in. Das Grillen über dem Feuer hat was von Abenteuer, von Steinzeit, als die Jäger ihr erlegtes Wild noch in Bodenkuhlen über der Glut garten, es ist rudimentär und unkompliziert. Obelix brät seine Wildschweine am Spieß, während der Römer den Grillrost zur Hand nimmt.

Mosaik in der Villa Romana del Casale, Sizilien

Heute spaltet die Frage nach Holzkohlen- oder Gasgrill die Nation. Die einen lieben den Geschmack verkohlter Spareribs, benutzen Räucherchips, um ihr Fleisch zu parfümieren, nebeln mit dem Smoker ihre Nachbarn ein und machen sich die Hände schmutzig, während die anderen mit noch sauberen Fingern ein Glas Weißwein halten und ganzjährig und vor allem bequem den Temperaturregler betätigen und sich auch keinen Ärger wegen Rauchvergiftungen einhandeln (allerdings geht das Gas meistens dann zur Neige, wenn die Grillparty kurz vor dem Höhepunkt steht).

Bereits die Anschaffung der Kochvorrichtung ist in der Regel Männersache. Ein Grill gehört heute in einen Haushalt wie eine Waschmaschine oder ein Fernseher. Die Preise reichen von 6,99 € bis 39.000 €, sind also längst zum luxuriösen Statussymbol für das ultimative Grillerlebnis mutiert. Frei nach dem Motto: mein Haus, meine Frau, mein Grill.

Zur Fußball-WM dieses Jahr werden wieder massenhaft Fans die Grillzange schwingen, sich die Finger verbrennen, mit Gleichgesinnten feiern (oder in Depression verfallen) und den Mücken die Show stehlen. Fußball und Grillen gehören nämlich auch zusammen, so wie (vegetarische) Würstchen und Ketchup. Grillen, egal mit welchem Gerät oder zu welchem Anlass hat in jedem Fall einen großen Unterhaltungswert, für Männer wie Frauen und Faultiere.

 

Panzanella mit gerösteten Tomaten

Bärlauch-Kräuter-Schnecken

Gegrillte Auberginen „caprese“

Gegrillte Kräuter-Seitlinge

Marinierte Gemüsespieße für den Grill

So lecker: Pizza vom Grill

Überraschend: Vegane Bratwürste

Gegrillter Tofu mit Kräuter-Marinade

Gegrillter Brokkoli mit Avocado und Cashewcreme

Gegrillter Gemüsesalat mit Kräutern und Nektarine

Gegrillter grüner Spargel mit Chimichurri

Schön bunt: Grillgemüse mit Kräuterdip

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