Fedde Kich

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Schon mal Fenchelwurzeln oder Möhrengrün-Pesto gegessen? Nein? Ich auch nicht, aber das könnte sich dieses Jahr ändern. Das liegt nämlich gerade voll im Trend. Vor allem in der Spitzengastronomie, wo die Carnivoren-Variante „Nose to tail“ neuerdings praktiziert wird und wo von der Zunge bis zum Schwanz, vom Herz bis zur Niere alles auf dem Teller landet – eben nicht nur die Filetstückchen. Sehr löblich, wenn Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung auf dem Menüplan stehen. Auch Kochbücher werden dazu schon verfasst. Aber wer kauft sich schon ein halbes Schwein samt Innenleben?

Ganz ehrlich, ich bin einmal mehr froh, Vegetarierin zu sein.

Beim Gemüse gibt es analog dazu die „Leaf to root“-Idee, zero waste in der Küche sozusagen, alles, was sonst auf dem Kompost landet wird zu Suppe, Mus oder Salat verarbeitet. Natürlich geht das nur, wenn man weiß, woher die Blättchen und Würzelchen kommen, vorzugsweise also aus dem eigenen Beet und nicht aus dem Discounter.

Ich würde mal schätzen, es handelt sich hier um ein Minderheitenprogramm.

Dabei geht das Ganze doch viel einfacher und wird schon seit Jahrhunderten praktiziert – zumindest bei den sparsamen Schwaben. Der Schwabe lässt nämlich in seiner traditionellen Küche nichts verkommen und das ist auch gut so. Man muss nur eine Landmetzgerei betreten, dort gibt es auch „Nose to tail“, heißt nur anders, Zungenwurst und Ochsenschwanzsuppe oder so.

Der Schwabe lässt nichts verkommen, weil die einfachen Leute früher nichts zu verschenken hatten, weil die Bauern Realteilung erleben mussten, weil es Überbevölkerung und Hungersnöte und Missernten gab und Württemberg im 18. Jahrhundert zu einem der ärmsten Länder Europas zählte. Das steckt vermutlich den Schwaben noch heute in den Knochen (und im Geist).

Altes Brot und Äpfel werden zur Freude der Kinder aufgetifft zum Ofenschlupfer, übrig gebliebene Nudeln, Kartoffeln und Fleischreste werden veredelt zum Gaisburger Marsch, Pfannkuchen als Einlage in die Flädlesuppe geschnitten.

Mit Verschwendung hat die schwäbische Küche nichts am Hut, sehr wohl aber mit Liebe am Genuss und an der Qualität. Dafür muss man nur einmal selbstgemachte Schupfnudeln, Spätzle und Krautkrapfen gegessen haben.

Ein findiger Mönch aus dem Kloster Maulbronn wusste sogar den lieben Herrgott in der Fastenzeit zu hintergehen, indem er das Fleisch einfach im Nudelteig versteckte und so die Maultaschen – auch Herrgottsbscheißerle genannt – erfand. Kreativität, Bauernschläue und Gelüste sind also ebenso wichtige Zutaten.

Die traditionelle schwäbische Küche ist einfach, bodenständig und pragmatisch und alles wird bis auf den letzten Krümel verwertet. Damit könnte man aus heutiger Sicht sogar behaupten, der Schwabe ist seiner Zeit wieder weit voraus.

Dazu passt auch irgendwie ein altes Sprichwort, das wir folgt lautet:
A fedde Kich gibd a magers Deschdamend. Abbr wer emmr guad ond frisch kochd, läbd onder Omschdänd längr ond ko längr vrdiena – ond meh vrärba. *

* (Eine aufwändige Küche hinterlässt ein mageres Testament. Aber wer immer gut und frisch kocht, lebt unter Umständen länger und kann länger verdienen – und mehr vererben)

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Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Renate W. sagt:

    Liebe Anna, schnell möchte ich wieder nach Hause und dann werde ich die Maultschen machen. Den Teig bringe ich mir aus Stuttgart mit. Wir sind fast zu Vegetariern mutiert. Mein Mann aus gesundheitlichen Gründen und ich, weil mir Gemüse besser schmeckt.

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