Marie Kondo auf dem Teller

Ich will gar nicht wissen, wie viele halbherzige Abspeck-Vorsätze sich seit Jahresanfang bereits nach vier Wochen wieder ausgeschlichen, so ganz unbemerkt verflüchtigt haben, schlichtweg eingeholt vom Alltag und den Gewohnheiten. Huch! War da nicht noch was? Bemerkbar macht sich das meistens auf der Waage, deren Zeiger sich entweder auch nach zwei Wochen Abstinenz noch nicht bewegt oder schon nach einer Woche einfach stehen bleibt, sodass man geneigt ist, deren Funktionstüchtigkeit vorsichtshalber zu überprüfen.

Fasten ist ja das eine, da hat man klare Regeln wie, nur noch Brühe zu sich zu nehmen oder zumindest den Alkohol wegzulassen, den Zucker oder sich vegan zu ernähren. Das ist relativ einfach, dient gewiss der Gesundheit, dem Reset der Geschmacksknospen und dem Gewissen, bringt aber langfristig nichts, wenn man auf sein Gewicht vom Vorjahr (oder war es das vom Vorvorjahr?) zurückwill. Da bedarf es leider doch einschneidenderer Maßnahmen, zumindest vorübergehend. 

Nach Intervallfasten und Scheinfasten (dieser paradoxe Begriff macht mir jedes Mal gute Laune), besinnt man sich ja mittlerweile auf intuitives Essen, bei dem sich von alleine das Wohlfühlgewicht einstellen soll, und ist damit das Gegenteil einer präskriptiven Diät.  Das klingt so gut, dass selbst mein Mann der Meinung ist, er würde sich genau richtig ernähren, wenn er sich mittags mit angebratenem Tofu (wohlgemerkt nur mit Sojasauce übergossen, denn zu mehr reicht die Ambition nicht) und abends mit Tortillachips kasteit, um möglichst schnell Pfunde zu verlieren. Intuitiv halt. Ich sage dazu einfach nichts mehr. 

Jedenfalls ist die Idee des intuitiven Essens ja gar nicht schlecht. Man isst, was man möchte und so viel man will. Entscheidend dabei ist, dass man lernt, wieder auf seine Körpersignale zu hören und wirklich nur die Nahrung zu sich zu nehmen, die der Körper braucht. Wenn mir meine Intuition also mitteilt, dass ich jetzt unbedingt einen Schokokeks zum Milchkaffee möchte, interveniert meine Ratio umgehend. Sie besteht darauf, dass es, wenn es denn schon sein muss, auch bei einem einzigen Keks bleibt (der zweite schmeckt nämlich in der Regel schon weniger gut, wenn man mal super tief in sich hineinhorcht), und der Milchkaffee sowieso besser ein schwarzer Espresso sein sollte. Notfalls lässt man sogar auch einen halb vollen Teller stehen. Es gibt einfach von allem zu viel, und das ist jederzeit verfügbar. Alltagsstress und Ablenkung tun ihr Übriges. 

Intuition wird eher als weibliche Eigenschaft eingestuft (deshalb rege ich mich auch gar nicht über meinen Gatten auf), doch logiert sie nun im Bauch oder im Kopf? Mein Magen knurrt, mein Gehirn signalisiert Hunger, ich esse, ich fühle mich satt. Aber wann genau bin ich satt? Und war das tatsächlich Hunger oder befinde ich mich bereits im unterzuckerten Modus? Um selbstdisziplinierende Maßnahmen kommt man leider auch beim intuitiven Essen nicht herum, zumindest, solange man noch in der Körpersignale-wahrnehmen-Lernphase ist. Irgendwann weiß man das dann einfach, ohne weiter darüber nachzudenken. Dann ist es Intuition.

Auf dieser Ebene angekommen, signalisiert mir der Körper idealerweise, dass er Folgendes toll fände: eine Mahlzeitenstruktur inklusive einer Hauptmahlzeit zu haben; emotionale, stressbedingte Hungerattacken erst gar nicht aufkommen zu lassen, falls doch, diese durch eine Minute Bewegung (etwa Treppensteigen, Liegestütz oder Tanzen, was bestimmt auch im Büro für Aufmerksamkeit sorgt) abzuwenden; Zufriedenheit herzustellen mit vollwertigen, gesunden Nahrungsmitteln und viel Gemüse für einen bunten, abwechslungsreichen, aromareichen Speiseplan; mit Snacks für zwischendurch vorzusorgen (geröstete Nüsse, Obstspalten); schließlich auch beim Zucker das richtige, in der Regel sehr reduzierte, Maß zu finden.

Übrigens wäre damit auch endlich die Frage beantwortet, warum sich Frauen offensichtlich anders und zumeist gesünder ernähren als viele Männer: Sie verfügen einfach über mehr Intuition. Und Tiere (mal abgesehen vom Labrador) zweifellos über mehr Instinkt. Zum Beispiel der Feldhase, der zurzeit gerne im Garten herumlungert, frisst mir nicht einfach den kompletten Grünkohl weg, nein, instinktiv lässt er noch drei Pflanzen stehen, damit er mich nicht ganz verärgert. Oder weil er satt war. Dann wäre er vielleicht doch eine Häsin?

Intuitives Essen ist ein wenig wie Marie Kondos „Magic Cleaning“, nur halt auf dem Teller. Dort wird mal richtig aufgeräumt, und hinterher fühlt man sich befreit, glücklicher und zufriedener mit sich und seinem Leben. Gelebter Minimalismus. Liegt sowieso gerade im Trend. Hauptsache, die Lust am Genuss und am Essen bleiben dabei nicht auf der Strecke.

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