Untergrund-Bewegung

Bei Erdhügel Nr. 250 habe ich aufgehört zu zählen. Ich habe die Waffen gestreckt und die weiße Fahne gehisst. Ich habe mich ergeben. Mein Garten gleicht einem Miniatur-Truppenübungsplatz der Bundeswehr mit seinen Erdaufschüttungen, Wällen, Löchern und kahlen Stellen im Boden. Trotz der schweren Geschütze, die ich zur Abwehr monatelang aufgefahren habe. Aber ich bin machtlos. Herr Grabowski besteht auf seinem Bleiberecht.

Maulwurf_Bau-drawingAls meine Kinder klein waren, begegneten uns diese possierlichen, schwarzen Pelztierchen mit dem rosa Rüssel und den großen Schaufeln in Bilderbüchern. Der Renner war eine zeitlang der Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gekackt hatte. Aber auf unserem Grundstück ließ sich keiner blicken.

Nähere Bekanntschaft schlossen wir erst im neuen Garten. Ich wollte es mir gerade mit einem Buch in der Sonne gemütlich machen, als ein hohes wiederkehrendes, Sekunden andauerndes Piepen an mein Ohr drang. Ich dachte zuerst an einen Tinitus. Meine Nachforschungen ergaben aber, dass dieses schreckliche Geräusch aus dem benachbarten Garten kam. Eine Abwehrmaßnahme gegen Maulwürfe und Wühlmäuse (letztere waren mir bis dahin kein wirklicher Begriff). Aber die einzige, die sich offensichtlich gestört fühlte, war ich. Na toll, das konnte ja ein schöner Sommer werden.

Sie ließen sich ein halbes Jahr lang Zeit. Und dann kamen sie, die ersten Wühlmäuse (vielleicht die von meinem Nachbarn?). Sie fraßen die Wurzeln frisch gepflanzter Bäume ab, machten es sich trotz Bodengitter im Hochbeet gemütlich, wurden dort kugelrund und fingen an, die ersten Erdhügel aufzuschütten. Geduldig harkte ich sie wieder ein, sodass mein Blick beruhigt über eine ebene Oberfläche schweifen konnte.

Dann ging das Spiel erst richtig los. Fast jeden Morgen das Gleiche: Hügel an Hügel entlang Beeten und Wegen oder einfach mitten im Grün. Ich ebnete immer brav ein, ich recherchierte, wusste Maulwurfshügel von Wühlmaushaufen zu unterscheiden (sie hatten sich wohl zu einer Koexistenz entschieden), und kaufte eine sinnlose Lebendfalle, schließlich Buttersäure. Mein Geduld war am Ende.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Liter ich von diesem widerlich stinkenden Zeug verbraucht habe, wie viele Läppchen ich aus alten T-shirts gerissen habe, sie getränkt und in die Löcher gestopft habe, um sie zu vergrämen.

Dabei fingen meine Maßnahmen vielversprechend an. Tatsächlich war für zwei, drei Tage Ruhe, kein neuer Hügel morgens. Ich triumphierte innerlich schon. Frieden schaffen ohne Waffen, was will man mehr? Dann aber wieder neue Erdauswürfe, neue Läppchen, wieder erstmal Ruhe und alles von vorn. Und stinkende Finger trotz Handschuhen. Allein der Gedanke an den Geruch verursacht mir heute noch Übelkeit.

Irgendwann war bei mir die Luft raus. Ich resignierte ganz einfach. Warum der Natur nicht einfach ihren Lauf lassen? Sie war ja zuerst da. Es wurde Winter und die Anzahl der Hügel mehrte sich zusehends. Ich schaute einfach nicht mehr hin. Wie in Sanssouci musste es hier schließlich nicht aussehen.

Gehe ich heute über den Rasen, trete ich häufig entweder ins Leere, weil eine Wühlmaus unter der Grasnabe einen Gang gebuddelt hat oder stolpere über die Erdhaufen dieser offensichtlich an Hyperaktivität leidenden Tiere. Ich warte auf den Moment, in dem sich der Boden unter meinen Füßen auftut und ich ein einem Erdloch verschwinde.

Doch meine Hoffnung auf ein friedliches Nebeneinander wächst. Seitdem der viele Regen aufgehört hat, meine ich eine Veränderung im Garten wahrzunehmen. Einige der Haufen sind einfach weggespült. Ebne ich den ein oder anderen Hügel ganz unauffällig ein, bleibt er verschwunden.

Die größte Frechheit aber sind diese vielen Läppchen, die der Maulwurf einfach nach und nach postwendend aus seinen Gängen an die frische Luft befördert hat und die nun mein alter, unzurechnungsfähiger Hund frisst. Da muss ich schon fast wieder schmunzeln. Konnte ich ihn also doch ärgern, wenigstens ein bisschen.

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Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. stephanie sagt:

    Superschöne geschichte.
    Bitte mehr u nun auch der hund der den salat stibitzt.

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