Spargel-Verderber

Ab und zu ist es schwer, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Ab und zu auch ganz leicht, denn dazu muss ich nur aus dem Fenster sehen: in diesen Tagen regnet und stürmt es wie im Herbst, der Wind peitscht über den Teich und wenn ich mit den Hunden vor die Tür gehe, ziehe ich die Winterjacke an. Sogar die Graugans hat ein zweites Nest gebaut, nachdem das erste überflutet wurde.

Doch dann beim Einkaufen geht endlich die Sonne auf: von allen Seiten hagelt es Frühling und man redet mir ein, es sei Spargelzeit. Als ob wir uns seit Monaten nichts sehnlicher gewünscht hätten. Seit Anfang April gibt es im Regal der Food-Zeitschriften kein Cover mehr ohne die grünen oder weißen Stangen. Endlich wieder neue Rezeptideen. Was würden wir nur ohne sie mit dem ganzen Spargel tun? Jedes Jahr das gleiche Ritual, als gäbe es Spargel nicht schon seit hundert Jahren (die Römer bauen ihn tatsächlich schon seit 2000 Jahren an).

Das Blöde ist nur, der Appetit auf Spargel will sich bei mir trotzdem nicht so richtig einstellen. Selbst der Spargel im Garten hat keine Lust zu wachsen. Drei Köpfe schauen seit Ostern fröstelnd, mit hochgestelltem Kragen aus dem Sand und sehen aus, als würden sie sich am liebsten gleich wieder verkriechen. Geht nur leider nicht.

Nun bin ich weit davon entfernt, mich ayurvedisch zu ernähren. Aber dass Appetit, Stoffwechsel und Jahreszeiten in einer Weise zusammenhängen, kann ich mir durchaus vorstellen. Demnach fragt der Körper zurzeit besonders nach allem, was oberirdisch sprießt. Und auf den Körper soll man ja bekanntlich hören.

Was jetzt tatsächlich wächst sind die Dicken Bohnen (die brauchen aber noch Zeit), die überwinterten Salatköpfe, Spinat, Frühlingszwiebeln, junger Kohlrabi, der Rucola treibt wieder aus sowie der auf dem Beet stehengebliebene Mangold, frischer Bärlauch kann geerntet werden, nicht zu vergessen die würzigen Brennnesseln, und der Rhabarber lässt auch nicht mehr lange auf sich warten. Aus dem Winterlager kommt noch die letzte Nachhut an Sellerie, Sauerkraut, Lauch und Möhren.

Wenn ich ehrlich bin, ist es genau das, worauf ich Lust habe: auf frisches Grün. Der Spargel muss leider noch warten, bis es wärmer wird. Sollen sich die Zeitschriften ihren Spargel doch erstmal an den Hut stecken. Er will ja auch noch gar nicht…

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