Süße Sünden

Dieses Jahr habe ich die Adventskalender der Kinder einfach gestrichen. Und zwar endgültig. Das lief unter katzenjammerigen Protesten, aber ich finde, ab einem bestimmten Alter ist das durchaus legitim. Vor allem habe ich keine Lust mehr, kiloweise Schokolade dafür einzukaufen und mir an der Kasse wie ein Schokoladenjunkie vorzukommen. Wirklich gute Schokolade für 48 bis 72 (bzw. aktuell 96) einzelne Päckchen, das sind viele sehr teure Tütchen mit einzeln verpackten Süßigkeiten.

Denn nur darum geht es: um das glücksauslösende Moment der Süßigkeit, das die Morgenmuffel in der Dunkelheit und Kälte vorfreudiger aus den Betten steigen lässt. Bei Nüssen und Clementinen oder Socken und Radiergummis würde die Motivation so ungefähr gegen Null laufen. Ich habe dafür vollstes Verständnis und möchte auch nur ungern als Spielverderber dastehen.

Aber bei solchen Schokoladenorgieneinkäufen bleibt auch immer ein gewisser Überschuss, der dann mit den Weihnachtskeksen dekorativ auf der Etagere landet, griffbereit sozusagen, und deshalb auch nicht besonders alt wird. Ihn zu verstecken würde nur wenig Sinn ergeben, denn irgendwann wandert er ja zusätzlich zu Panettone, Stollen und Bärentatze doch in irgendeinen Bauch. Der Effekt ist zumindest bei den Erwachsenen absehbar: Schon vor Weihnachten zeigt sich das erste Kilo zu viel auf der Waage (wenn es denn dabei bleibt).

Ich versuche diesen Zeitpunkt also so lange wie möglich hinauszuzögern, versuche prophylaktisch schonmal abzunehmen (noch weniger essen, noch mehr Sport), denn erfahrungsgemäß sind die Tage nach Weihnachten erst die richtigen Killer. Dann kommt bis Neujahr alles zum Stillstand, eine Reaktion auf den Vorweihnachtsstress, wenig Disziplin, mehr Essen, den Alkohol nicht zu vergessen, zwischendurch Spaziergänge oder auch mal eine sportliche Einlage, aber insgesamt wandert der Zeiger der Waage zeitversetzt und erbarmungslos in die falsche Richtung.

Langer Rede kurzer Sinn: Reduziert man die süßen Sünden von vornherein drastisch, dann ist der Schock hinterher nicht so groß. Der Verpackungsmüllberg übrigens auch nicht. Und beim Adventskalender fängt das eben an. Tut mir echt leid, Kinder! Ich gebe zu, das war nicht ganz uneigennützig.

Man könnte es sich natürlich ganz leicht machen und fertige Kalender kaufen. Ich möchte anmerken, es zumindest angeboten zu haben. Türchen auf, Schoko raus, fertig. Aber das ist ihnen dann doch zu popelig. Nein, wenn schon, dann der Selbstgemachte, der hinterlässt wenigstens Erinnerungen. Zum Beispiel an Diskussionen, warum das Blätterkrokant bei dem einen schon wieder zweimal drin ist, in dem anderen Kalender aber gänzlich fehlt.

Apropos Konfektionsware. Als ich kürzlich durch die Tierfutterabteilung eines Drogeriemarktes gerauscht bin, war ich kurz vor Schnappatmung. Was sich mir in einem Regal darbot, hielt ich tatsächlich zunächst für einen schlechten Scherzartikel: Weihnachtskalender, getrennt nach Katzen und Hunden, jeweils mit 24 Türchen zum Öffnen. Ich überlegte ziemlich lange und ernsthaft, ob die nun für das Tier oder doch für den Tierfreund oder gar für beide zusammen gedacht waren, vielleicht in Form von Leberwurst- und Lachsschokokreationen für den erlesenen Geschmack.

Ich war völlig verunsichert. Vielleicht bin ich meiner Zeit hinterher oder ignorant und sollte das Verhältnis zu unseren Hunden doch noch einmal grundsätzlich überdenken, ihnen zumindest die Zahlen bis 24 und das richtige Hantieren mit den Pfoten beibringen. Haben nicht auch sie ein Recht auf diese kleinen Weihnachts-Vorfreuden? Ich glaube, ich könnte bei ihnen damit so richtig punkten. Und wenn es ums Fressen geht, lernen sie ja erstaunlich schnell. Sie würden mich jeden Morgen euphorisch schwanzwedelnd und erwartungsvoll begrüßen. Aber das tun sie ja sowieso.

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