Ottolenghimanie

Kürzlich waren wir bei Freunden zum Essen eingeladen. Leider mal wieder spät dran, dazu noch eine überflüssige Umleitung und die elende Parkplatzsucherei Samstag abends in der Stadt. Währenddessen dachte mein völlig ausgehungerter Mann schon intensiv ans Essen und leider auch an das Essen bei anderen Freunden am Wochenende zuvor, und ließ sich zu der Bemerkung „Hoffentlich gibt’s nicht wieder Ottolenghi!“ hinreissen.

Irgendwann waren wir also da und freuten uns schon auf einen belebenden Apéritif. Unsere Gastgeberin öffnete die Tür. Der Duft aus der Küche erreichte unsere Nasen und – wie aus der Pistole geschossen – die Ansage „Habe extra Ottolenghi gekocht“ unsere ungläubigen Ohren. Für das Glas Champus blieb dann auch gar nicht mehr so viel Zeit, weil der Salat längst angerichtet war und das Grünzeug schon über den karamellisierten Feigen und dem Feta zusammenfiel.

Für diejenigen, die damit nichts anfangen können: die Rede ist von Yotam Ottolenghi, Starkoch mit mehreren In-Restaurants im hippen London, hat seine kulinarischen Wurzeln in Israel, führt eine arabisch geprägte Küche und ist Autor mehrerer Kochbücher. Ottolenghisch kochen bedeutet Kreuzkümmel, Koriander, Kräuter, Kichererbsen und viel Gemüse (zumindest bei den vegetarischen Kreationen) und die am liebsten im Ofen geröstet („verkohlt“, würde meine Tochter sagen). Dabei ist gegen die Küche Ottolenghis absolut gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil, sie ist raffiniert und eine echte Bereicherung.

Doch ich frage mich, warum die Rezepte des prominenten Kochs immer dann herhalten müssen, wenn zum Essen eingeladen wird. Ich nehme mich selbst davon gar nicht aus – zumindest nicht bis vor einem Jahr. Früher gabs Jamie Oliver, heute eben YO. Ottolenghi ist eindeutig der auserwählte Koch ambitionierter Gastgeber.

Für die Umsetzung mancher Gerichte muss man sich nämlich schon im Vorfeld ganz schön ins Zeug legen. Vor allem Zutaten besorgen, von denen man im vorottolenghischen Leben noch nicht einmal geahnt hat, dass es sie gibt: Zahatar, Sumach, Berbere, getrocknete Limetten usw. Gibt’s nämlich nicht an jeder Ecke.

Das weiß natürlich nur jemand zu schätzen, der Ottolenghis Rezepte selbst auch kocht. Unbeleckte Mitesser werden sich über die ungewohnten Aromen bestenfalls wundern. Und dann muss man sie auch noch richtig abschmecken können. Das kann schonmal schiefgehen. Es hat einen Grund, warum mein Mann an das Essen davor nur mit Widerwillen zurückdenkt. „Ottolengasteniker“, war sein trockener Kommentar hinterher. Und dann auch noch diese Berberitzen im süß-säuerlichen Eintopf, das war ihm zu viel.

Die Ottolenghimanie beginnt meistens damit, dass man eines der schönen Kochbücher in Händen hält und anfängt zu lesen. Rezepte lesen. Hört sich vielleicht befremdlich an, kann aber stundenfüllend sein, bis das Buch gespickt ist mit eingelegten Zetteln. Eine andere Freundin von mir kocht schon seit Jahren den Band „Jerusalem“ hoch und runter, wiederum zwei andere haben sich schon zu „Vegetarische Köstlichkeiten“ vorgearbeitet (daran bin wahrscheinlich ich schuld, weil er immer herhalten muss, wenn wir kommen), und wiederum eine andere leiht sich die verschiedenen Ausgaben häufiger aus der Bibliothek, um darin zu schmökern.

Dabei gibt es durchaus auch Speisen, die nicht den Preis für besonders exotische Zutaten gewinnen würden, sondern eher einfach und sogar familientauglich sind – und vielleicht insgesamt für unser Geschmacksempfinden schlichtweg besser. Wunderbar gewürzte Dips, die Tomaten-Mandel-Tarte, Filoteig-Röllchen, der Dauerbrenner Spinat-Salat mit geröstetem Pitabrot, Desserts und Kuchen zum Niederknien und noch so einige andere Sachen.

Nach den letzten Anläufen, meiner Familie gut gewürzte und geröstete Gemüse schmackhaft zu machen, kam es dann auch zu folgendem Dialog:
Mein Sohn: „Kann es nicht wieder etwas Normales geben?“
Ich: „Was heißt normal?“
Mein Sohn: „So etwas wie Nudeln…?“

Na gut, keine schlechte Idee, Nudeln wären in der Tat mal wieder richtig gut. Dafür rief mich aber eine Freundin an, ob wir uns nicht mal wieder zum Essen treffen wollten? Und wir könnten doch mal wieder Ottolenghi kochen? Ich sags ja, es ist wie verhext, man entkommt ihm nicht mehr. Wird Zeit, das vorläufig zu ändern.

PS: Das neueste Werk trägt übrigens den Titel „Simply“

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  1. Therese Mühlheimer sagt:

    Meines Erachtens ist Ottolenghi der am meisten überschätzte Koch
    momentan! Eine ellenlange Zutatenliste, das Ergebnis nicht immer schmackhaft. Wo doch die israelische, levantinische Küche alles andere als kompliziert und in der Tat gesund und wohlschmeckend ist.
    Mit einem Satz: „Mir geht er auf den Wecker“!

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