Wieso spuken einem manchmal aus nicht nachvollziehbaren GrĂŒnden so blöde Slogans durch den Kopf? Ăber Singles, die sich alle paar Sekunden verlieben (eigentlich mĂŒssten die doch langsam alle vom Markt sein), ĂŒber den BĂ€ren im Mann (den wĂŒrde ich gerne mal sehen), ĂŒber klebrigen, klumpenden Reis (ist damit Sushi-Reis gemeint?), ĂŒber Kinderjoghurts, so wertvoll wie kleine Steaks (igitt, was fĂŒr ein schlechter Vergleich!) und andere Infos, die man nicht braucht. Und dann war da noch was von âwennâs gut werden sollâŠâ. Da bin ich zwar nicht gleich drauf gekommen, welchen Bezug das hatte, aber der Satz selbst fiel mir ein, als ich ĂŒbers Kochen nachdachte. Wennâs wirklich gut werden soll in der KĂŒche, braucht man nĂ€mlich vor allem zwei Dinge: Zeit und MuĂe. Wie man weiĂ, liegt genau hier der Hase im Pfeffer, denn dieser zivilisationsphĂ€nomenale Alltagsstress lĂ€sst einem ja keine Luft mehr fĂŒr gar nichts.
Von wegen mal wieder Freundinnen zum Essen treffen oder es sich am Nachmittag mit einem Buch gemĂŒtlich machen oder einfach mal nichts tun. DafĂŒr bleibt keine Zeit, denn stattdessen bĂŒffelt man tĂ€glich vier Stunden Latein oder Mathe (aber nicht etwa, weil man selbst das Latinum nachmachen möchte, sondern damit der Nachwuchs seinen Schnitt verbessert), stattdessen lĂ€sst man sich permanent von Handy und E-mail fernsteuern (und schafft es noch nicht mal am Mittagstisch, das Ding wegzulegen), stattdessen vergeudet man seine Energie, weil man sich ĂŒber die blöden Nachbarn oder Kollegen aufregt (anstatt drei Mal tief durchzuatmen und Grenzen zu ziehen).
Ja, auch ich kann da mitreden. Ich war in den letzten Monaten auch im Dauerstress, allerdings wegen meiner italienischen Baustelle. Wenn ich mal zuhause (und nicht im SĂŒden) war, wollten die hungrigen MĂ€uler anstĂ€ndig gefĂŒttert werden. Doch genussvolles Kochen? Fehlanzeige, denn dazu gehört schlieĂlich mehr, als nur einen Topf mit Spaghetti auf den Herd zu stellen. Alles lief nebenbei: Familie, Freunde, Tiere, Garten (um letzteren haben sich dann akribisch und hingebungsvoll der Feldhase und die MĂ€use gekĂŒmmert und das einzige, was ich jetzt ernten kann sind Zucchini, davon aber ganz viele). Man kann eben nicht alles haben.
HĂ€tte ich doch vorher mal ein Achtsamkeitstraining oder einen MBSR-Kurs gemacht (das steht vielversprechend fĂŒr mindfulness-based stress reduction). Das ist heute nĂ€mlich in solchen Situationen angesagt. Man muss ja dafĂŒr nicht gleich einen Aufenthalt im Kloster buchen, wie es depressive, Burnout-gefĂ€hrdete Manager gerne tun. Soweit ist es noch nicht. Nein, an jeder Ecke findet man schlieĂlich Achtsamkeitstrainer, die einem AchtsamkeitsĂŒbungen beibringen wollen, die man tĂ€glich in Achtsamkeitsmeditation praktizieren kann. Oder per Telefon lĂ€sst man sich bequem fĂŒr 50 Cent die Minute von einem Achtsamkeitsberater das life coachen. Es gibt Selbsterkennungskurse und Emotionsseminare. Man entgeht ihr nicht mehr, dieser Achtsamkeit, nicht im Buchladen, nicht im Bioladen und schon gar nicht auf youtube, wo man stĂ€ndig zu hören bekommt, dass man im hier und jetzt ist, und das alles gut so ist, wie es ist und man sich selbst lieben soll. WemÂŽs hilft, bitte! Auch wenn es sich ein biĂchen nach Esoterik und Mandalamalen und Geldverdienen anhört. Aber wenn sogar die Krankenkasse das alles so in Ordnung findetâŠ
Abgedroschen klingt es dennoch. Vielleicht, weil schon zu viele Top-Ten-Tipps fĂŒr individuelles Wohlbefinden kursieren? Zu viele Hypes? Zu viele Regeln fĂŒr die perfekte LebensfĂŒhrung, die perfekte Figur, die Selbstoptimierung? Man muss sich mal vorstellen, welche intellektuelle Leistung vonnöten ist, um das alles zu ordnen und bei Bedarf abzurufen. Das macht einen ja ganz kirre im Kopf. Besonders schön wird es, wenn man dann Intervallfasten mit Motivationstraining und den Achtsamkeitsregeln kombinieren will. Ich wĂŒrde behaupten, man hat dann einen erfĂŒllten Alltag. Wir lassen uns einfach zu sehr zutexten.
Sieht man davon einmal ab, wĂ€re Achtsamkeit bei der ErnĂ€hrung genau mein Thema! Essen, worauf man Lust hat (nein, sorry: was einem der Körper signalisiert), kleinere Portionen, auf QualitĂ€t achten und sich dafĂŒr Zeit nehmen. Ganz einfach eigentlich. Und wirklich ganz zufĂ€llig habe ich hier sogar schon LektĂŒre zur Rezension auf dem Tisch liegen: âAchtsame Ayurveda KĂŒcheâ. Die Rezepte sind auf den ersten Blick nur leider sehr frugal. Aber ich werde mich ein biĂchen durchkochen, ganz bewuĂt natĂŒrlich. Vielleicht kann ich dabei gleich achtsam abnehmen. Der Autor ist jedenfalls klapperdĂŒrr.
In England ĂŒbrigens verkauft sich zur Zeit ein Buch wie warme Semmeln: Der Erfolgs-Arzt Rangan Chatterjee beschreibt in âRelax, Eat, Move, Sleep – Dein Weg zu einem lĂ€ngeren, gesĂŒnderen Lebenâ wie man ganz einfach wieder ins Lot kommt. Seine vier RatschlĂ€ge: mehr bewegen, bewuĂt essen, Handy ausschalten, regelmĂ€Ăig schlafen. Könnte von mir sein. Manche Dinge sind so simpel. Da braucht es keinen Kurs und keinen Ratgeber – nur gesunden Menschenverstand.