Gnocchi-Klaviatur

Eigentlich bin ich ganz froh, dass es in meinem Bekanntenkreis keine Kleinkinder gibt. Die sind glücklicherweise alle (inklusive meiner eigenen) mittlerweile aus dem Gröbsten raus – sporadische Rückfälle nicht ausgeschlossen. Endlich vorbei die nervigen Zeiten, in denen Eltern verzückt und stolz wie Bolle ihrem Nachwuchs lauschen, der mit schmierigen Fingern auf Klaviertasten herumpatscht und dem armen Instrument gruselige Akkorde und arhythmische Dissonanzen entlockt, um ihm dann ob seines Improvisationstalentes eine gewisse Hochbegabung in Aussicht zu stellen. Ich weiß, wovon ich spreche, wir haben ein Klavier zu Hause stehen. Kündigte sich damals Kinderbesuch an, häufte ich irgendwann nur noch möglichst viele Bildbände auf den Deckel, um jegliche Versuche oben genannter Art zu unterbinden…

Improvisation setzt nämlich ein gewisses Können voraus, nicht nur beim Musizieren. Mein Mann zum Beispiel spielt Gitarre wie Hendrix, aber mit der Improvisation beim Kochen hapert es noch ein wenig. Dabei bin ich wirklich niemand, der sklavisches Nachkochen von Rezepten unbedingt befürwortet. Kochen ist kreativ, also wird auch verändert, ausprobiert, angepasst. Dennoch braucht es ein gewisses Grundverständnis.

Denn was passiert, wenn man bei einem Brot einfach mal die Hefe weglässt, nur weil – sagen wir mal – man gerade keine Lust darauf hat? Klar geht das Ding dann nicht auf und man muss an einem festen Klumpen herumnagen. Und was passiert, wenn man Gnocchi ohne Eier macht? Dann löst sich der Teig unter Umständen im siedenden Wasser auf. Nicht unbedingt, aber mit größerer Wahrscheinlichkeit.

Das weiß nun auch mein Mann, aber die Schuld dafür trage logischerweise ich. Erstens weil ich mich schon lange vor den Ferien alleine nach Italien verabschiedet und meine Familie ihrem Schicksal überlassen habe. Und zweitens weil ich die Daheimgebliebenen zum Selberkochen animiert habe.

Nach zwei von insgesamt sieben Wochen Abwesenheit erreichten mich nämlich die ersten WhatsApp-Was-sollen-wir-nur-essen-Hilferufe meines Sohnes (der sich normalerweise nie meldet). Im Gegenzug dazu habe ich verlockende Bilder selbstgemachter Tagliatelle und Gnocchetti in den Familienchat gepostet, selbstverständlich mit dem Hinweis, die könnten sie auch selber hinbekommen, hauseigene Rezepte gäbe es ja dazu, und das sei kein Hexenwerk. Meinen Töchtern traue ich das auch durchaus zu. Aber entweder war die Verzweiflung groß oder mein Mann, dessen Kochkünste bislang beim Eierkochen endeten, war vom Ehrgeiz gepackt. Er machte sich jedenfalls gleich am nächsten Tag ans Werk. Und das ging leider schief, eben wegen der fehlenden Eier.

Sein Vorwurf: ich könne doch kein Kürbis-Gnocchi-Rezept veröffentlichen und nicht hinschreiben, dass man die Kürbis-Eier-Mischung nicht einfach weglassen kann. Genau das hat er nämlich gemacht, weil er dachte, heraus käme das Basisrezept. Aber so einfach ist das mit den Gnocchi dann auch wieder nicht. Es gibt sie ohne Eier, aber dann muss man die richtige Kartoffelsorte erwischen und die Dinger heiß ins Mehl drücken. Das geht schon. Das heißt, man muss besonders in diesem speziellen Fall die Gnocchi-Klaviatur doch ein wenig mehr beherrschen. Dumm gelaufen.

Aber all das habe ich erst Wochen später erfahren. Die Kinder waren froh über den Gnocchi-Versuch, der dann in gebratenen Kartoffelteilchen endete. Das wiederum ist kreativ, wenn auch nicht hochbegabt (oder doch?). Jedenfalls hat es nach meiner Rückkehr keine 24 Stunden gedauert, bis mein Sohn mich fragte, was ich denn so zu kochen gedenke, und bitte keine Pizza oder Nudeln, davon hätten sie jetzt erstmal genug. Aus meiner Sicht ist das schonmal eine gute Erfahrung, die sie da gemacht haben.

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